Abos Filmtipp im Juni: Green Border

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06 / 06 / 2024

Abos Filmtipp im Juni: Green Border

Albert Baumgärtner aus dem Linse Filmforum empfiehlt diesen Monat den Film: Green Border:
 
Dieser Film, halb- dokumentarisch in schwarz/weissen Bildern gedreht, zeigt uns eine vollkommen unbekannte Grenze der EU und die Geschäfte die da ablaufen, und sie zeigt vor allem Gesichter dazu.
Die 75-jährige, vielfach preisgekrönte polnische Regisseurin will Empathie wecken. Sie steht auf der Seite der syrischen Familie, deren Flucht erzählt wird, die nach Minsk fliegen und nach Schweden wollen. Sie werden an der scharf bewachten Stacheldrahtgrenze zu Polen zum Spielball polnischer Grenzschützer und belarussischer Sicherheitskräfte. Keine Seite ist besser und die Freude in Europa zu sein weicht rasch neuer Panik, als die Familie wieder zurück nach Belarus gebracht wird, und das Drama wiederholt sich in einem sumpfigen Waldgebiet, eine Sperrzone auch für Journalisten. Aus Menschen werden Schuldige gemacht, die um ihr Leben kämpfen müssen, gedemütigt werden und keine Hilfe bekommen. Der syrischen Familie schließt sich auch noch die afghanische Dolmetscherin Leila an, die Flüchtlinge fallen auf das falsche Versprechen Lukaschenkos rein (wahrscheinlich in Absprache mit Putin), der ihnen eine sichere Belarus-route anbietet.
Es kommt auch die polnische Aktivistin und Psychologin Julia ins Bild, die für eine Hilfsorganisation arbeitet, sich aber an die Fluchthilfegesetze hält. Auch die Familie des polnischen Grenzschützers Jan wird gezeigt, der an der Arbeit zerbricht, während seine Kollegen immer brutaler werden. Holland ist keine Dokumentarfilmerin, sie will über die Einzelschicksale Empathie wecken und die Absurdität der EU-Aussenpolitik aufzeigen.
 
Im Epilog zeigt Holland eine ganz andere Situation, es ist Februar 2022, kurz nach dem Ueberfall Putins auf die Ukraine. Die Hilfsbereitschaft auf polnischer Seite ist enorm, innerhalb weniger Wochen nimmt Polen als Erstaufnahmeland 2 Millionen ukrainische Geflüchtete auf. An der polnisch-belarussischen Grenze ändert das nichts. Ein neuer, noch höherer Zaun wird errichtet, und erst gestern wird wieder ein polnischer Grenzschützer erstochen… Es wird mit 2 verschiedenen Maßstäben gemessen.
 
Die rechte polnische Regierungspartei PiS charakterisiert den Film als „schändlich und widerlich. Der damalige Präsident Andrzej Duda sagte zum Filmstart in Polen Ende 2023 „nur Schweine sitzen im Kino“. Dieser Satz geht auf die deutsche Besatzung in Polen 1939 .1945 zurück, als in polnischen Kinos Propagandafilme der Nazis und die Wochenschau mit den Siegen der Wehrmacht an allen Fronten liefen.
Der Film hat nach seiner Premiere 2023 in Venedig, wo er den Preis der Jury erhielt, weltweit für großes Aufsehen gesorgt und wurde in ganz Europa, Südamerika und auch in China sehr gut verkauft.
Gegen Frau Holland, Tochter eines Holocaustüberlebenden und einer Widerstandskämpferin, wurden in ihrem Land sogar Todesdrohungen ausgesprochen, und bei der Premiere, Ende 2023 in Polen, mussten Personenschützer engagiert werden. In Polen gewann er dann den polnischen Filmpreis für den besten Film.
 
Green border läuft in der Linse im Rahmen der Filmreihe Fluchtstreifen und soll uns zum Hinschauen, Zuhören und Handeln bewegen, vor dem Hintergrund der anstehenden Europawahlen und den politischen Diskussionen um Migration.“